Kurznachrichten der Spandauer Linken

Diskussion zum 80. Jahrestag des Novemberpogroms

Im Spandauer Rathaus diskutierten Dr. Gesine Lötzsch, Sigmount A. Königsberg und Dr. Hans Coppi gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern über die Lehren aus dem Novemberpogrom von 1938. Auch 80 Jahre danach verpflichtet er uns, wachsam gegenüber Antisemitismus zu sein.

Eröffnet wurde die Debatte von Helin Evrim Sommer, Bundestagsabgeordnete für Spandau-Charlottenburg Nord, die an die jahrhundertealte jüdische Tradition in Spandau erinnerte. Sie verwies darauf, dass von über 900 Spandauer Juden nur 85 den Holocaust überlebten. Daher sei der 09. November ein wichtiges Datum, an dieses Verbrechen zu erinnern und der Opfer zu gedenken.

Jörg Kuhle, Diskussionsleiter, nahm in seiner Eröffnungsrede auf, dass die Veranstaltung die Fortsetzung der gleichlautenden Diskussion von 10 Jahren sei - als man anlässlich des 70. Jahrestages in gleicher Besetzung zusammentraf. Er erinnerte, dass seitdem die Thesen von Thilo Sarazzin Rassismus in der gesellschaftlichen Mitte hoffähig gemacht hätten. Außerdem seien NSU-Prozess und Aufstieg der AfD in den Zeitraum gefallen. Daher fragte er die Anwesenden, was sich ihrer Ansicht nach in den letzten 10 Jahren verändert hätte.

Dr. Gesine Lötzsch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, stellte fest, dass der Umgang mit der AfD sich zu normalisieren scheine. Sie halte das für gefährlich. Gleichzeitig verwies sie auf Jugendreisen an Stätten des NS-Massenmordes und antifaschistische Gedenkstätten, um das Thema bewusst zu halten und junge Menschen dafür zu sensibilisieren.

Sigmount A. Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der jüdischen Gemeinde zu Berlin, schilderte seine Eindrücke, dass der Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft zunehme - in allen politischen Lagern. Gleichzeitig machte er sich für eine offene Gesellschaft und offene Grenzen stark.

Dr. Hans Coppi, Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sprach sich genau wie Königsberg gegen den 09. November als möglichen Feiertag aus. Der Tag sollte ein Gedenktag bleiben. Anbieten würde sich eher der 08. Mai als Tag der Befreiung, der viele Menschen rettete.

Aus den Reihen der Zuhörerinnen und Zuhörer kamen verschiedene Wortbeiträge. So wurde u.a. an die Arbeit der Jugendgeschichtswerkstatt zur Aufarbeitung von und Erinnerung an jüdische Geschichte in Spandau erinnert. Eine Bürgerin schlug vor, am 09. November Kirchenglocken zur Mahnung läuten zu lassen. Darüberhinaus wurde Kritik am (Welt-)Wirtschaftssystem sowie der zunehmenden Konkurrenz zwischen den Menschen geäußert. Einige Diskutanten verwehrten sich dagegen, linke Kritik an der Position offener Grenzen als rassistisch oder "rechts" einzustufen.

Abschließend versprach Jörg Kuhle, dass die Veranstaltung aufgrund der Wichtigkeit nicht wieder erst in 10 Jahren wiederholt werden würde, sondern regelmäßiger stattfinden müsste. Denn: Nur wenn man erinnert, kann man auch Lehren ziehen.

Die Veranstaltung wurde abgerundet mit jiddischer Klezmer-Musik von Vladimir Miller.