Kurznachrichten der Spandauer Linken

Droht ein neues Chile in Venezuela?

Spandau

Am 26. April 2019 fand in der Geschäftsstelle der LINKEN in Spandau die Veranstaltung zu Venezuela mit Harri Grünberg statt, der „Cuba Si“ im Parteivorstand vertritt.

Die heutige Situation in Venezuela kann nur aus der historischen Entwicklung verstanden werden. Vor der „Bolivarischen Revolution“ war Venezuela unter der vollständigen Kontrolle der Grossgrundbesitzer, die heute noch grosse Teile der Landwirtschaft kontrollieren.

Unter Hugo Chavez wurde die „Öl-Rente“ verwendet, um die Bevölkerung besser zu versorgen, Wohnungen zu bauen, ein öffentliches Gesundheitssystem zu errichten, das Bildungsniveau mit Schulen und Universitäten zu verbessern. Das Geld fehlte dann aber für den Aufbau einer eigenen Industrie, die statt Vorprodukten gleich verarbeitete, höherwertige Produkte herstellen könnte. Mit dem Verfall des Ölpreises folgte dann eine Verschlechterung der Versorgungslage der Bevölkerung.

Die wichtigsten Wirtschaftsgüter sind Öl und Coltan. Coltan ist ein Erz, aus dem das Element Tantal gewonnen wird, das für besonders kleine Kondensatoren mit hoher Kapazität gebraucht wird, wie sie heute in den miniaturisierten Smartphones verwendet werden. Durch den Verfall des Ölpreises wurde die Finanzierung der Sozialprogramme für Venezuela immer schwieriger. Die Förderanlagen für Öl sind veraltet und werden Aufgrund der „Sanktionen“ schon seit Jahren nicht mehr mit Ersatzteilen versorgt, weshalb zusätzlich die Ölförderung zurückgeht. Durch den Boykott der USA tritt nun vor Allem Indien als Abnehmer des Öls auf, was aber deutlich längere Transportwege zur Folge hat.

Die Konten der Venezolanischen Regierung sind eingefroren. Lieferungen z.B. von Medikamenten können deswegen nicht bezahlt werden. Auch das in London bei der „Bank of England“ lagernde Gold wird von der englischen Regierung nicht frei gegeben und kann deswegen nicht zum Kauf von Lebensmitteln oder Medikamenten verwendet werden.

Die Grossgrundbesitzer liefern keine landwirtschaftlichen Güter in die heimischen Märkte, um die Versorgungslage zu verschlechtern. Hilfslieferungen kommen aber aus anderen Ländern. Durch die angespannte Versorgungslage können die Ärmsten nur mit einer Notversorgung von 1700 Kcal täglich versorgt werden. Wer genug Geld hat kann in den Supermärkten trotzdem fast alles kaufen.

Aufgrund der Sanktionen ist Venezuela darauf angewiesen die notwendigen Technologien in Russland und China einzukaufen. Dadurch sind aber die Geostrategischen Interessen der USA betroffen, die seit der „Monroe Doktrin“ Südamerika als ihren alleinigen Besitz betrachten und die sich „ihre“ Rohstoffe nicht von anderen Grossmächten „wegnehmen“ lassen wollen.

Zusätzlich zu den Sanktionen führen die USA auch direkte Anschläge auf die Infrastruktur aus, wie z.B. die Angriffe auf die zentrale Stromversorgung und zuvor schon die Mordanschläge auf Hugo Chaves und Nicolas Maduro.

Venezuela ist ein Präsidialsystem. Vor den Präsidentschaftswahlen fanden 2015 die Parlamentswahlen statt, bei der die „Opposition“ 52% der Stimmen bekam und in der Folge rund 2/3 der Sitze in der Nationalversammlung. Kurz nach den Wahlen sind allerdings „Unregelmässigkeiten“ in 3 Wahlbezirken festgestellt worden, woraufhin das oberste Gericht für diese Bezirke Neuwahlen angeordnet hatte. Dem zum Trotz wurden die 3 Abgeordneten vereidigt. Deswegen hat das oberste Gericht die Beschlüsse ders Nationalversammlung so lange für ungültig erklärt wie in den 3 Bezirken nicht neu gewählt wurde. Ende 2018 fanden dann die Präsidentschaftswahlen statt, bei der Nicolas Maduro mit 67,8% der abgegebenen Stimmen gewählt wurde. Der von Teilen der Opposition ausgerufene Wahlboykott wurde nur von 3 Mio. (von insgesamt 31 Mio.) Venezulanern befolgt, die an dem Ergebnis auch nichts geändert hätten.

Weil aber die Nationalversammlung über den Haushalt bestimmt, durch das Urteil des obersten Gerichtes aber keine gültigen Beschlüsse fassen kann, hat der Präsident für die wichtigsten Bereiche per Notstandsverordnung einen Haushalt erlassen.

Die von der Regierung der BRD erfolgte „Anerkennung“ von Juan Guaido als „rechtmässiger Präsident“ von Venezuela wurde vom Juristischen Dienst des Bundestages als diplomatisch ungewöhnlich und unüblich beurteilt, weil es bis dahin Praxis war, nur Staaten, nicht aber Regierungen anzuerkennen.

Bisher steht das venezolanische Militär fest hinter dem legitimen Präsidenten Nicolas Maduro und Aufgrund der Tradition des Militärs ist ein „überlaufen“ zu den rechten Kräften auch so lange unwahrscheinlich, wie es gelingt die Spaltungsversuche abzuwehren.

Einiges von dem gesagten kann auch im neuen Beitrag von Harri in der „Revista 1/2019“ auf Seite 3 „Links heißt internationalistisch denken und handeln!“ nachgelesen werden:

https://cuba-si.org/files/cuba/revista_1-2019_web.pdf

Kritisch hinterfragt wurde die Zusammenarbeit Venezuelas mit den Folterknechten des Irans bei der Ausbildung eigener Sicherheitskräfte.

Es herrschte Einigkeit, dass Venezuela trotz vieler zweifelhafter politischer Entscheidungen die Solidarität der Linken verdient hat und auf diese Solidarität angewiesen ist.

Die Linken in der Bundesrepublik, in Europa und weltweit sind aufgerufen, aktive Solidarität mit den derzeit bedrohten fortschrittlichen Regierungen in Venezuela, Bolivien und Nicaragua zu üben! Auch die Partei DIE LINKE muss mit klaren Positionen und aktivem, internationalistischem Handeln die fortschrittlichen Bewegungen, Parteien und Regierungen in Lateinamerika unterstützen.