Erfolgreiche Diskussionsveranstaltung "Griechenlands Schuldenlast"

Am 19.05.2015 fanden sich rund 70 Gäste im Bürgersaal des Spandauer Rathauses ein, um mit prominenten Gästen über das Thema "Griechenlands Schuldenlast" zu diskutieren. Gut zweieinhalb Stunden füllte der angeregte Dialog.

Der Bezirksverband Spandau hat zu einer Diskussionsveranstaltung am 19. Mai 2015 in den Bürgersaal des Rathauses Spandau eingeladen. Thema war Griechenlands Schuldenlast, sowie die Frage nach den Ursachen und welche Lösungsmöglichkeiten DIE LINKE sieht. Damit im Zusammenhang sollte auch behandelt werden, wie es um die Demokratie in der Europäischen Union (EU) bestellt ist.

Eingeladen wurden dazu aus der Bundestagsfraktion der LINKEN Dr. Diether Dehm, als Europapolitischer Sprecher und Dr. Axel Troost, als finanzpolitischer Sprecher. Um die griechische Sicht, also die Sichtweise der mittelbar Betroffenen darzulegen, waren Nikos Athanassiadis, als Vertreter von SYRIZA in Berlin und Kostas Papanastasiou, als griechischer Berliner, der sich seit den 60er Jahren bis heute in unserer Stadt politisch engagiert, ganz besonders in der Zeit der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 in Griechenland. Als weiteren Partner in der Diskussion konnte Prof. Dr. Elmar Altvater, Politikwissenschaftler, gewonnen werden. Angelika Becker vom Bezirksverband leitete die Diskussion.

Im Beitrag von Diether Dehm wurde aufgezeigt, dass die EU keine sozialstaatliche Grundlage aufzuweisen hat, sondern sich als eine "offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ definiert. Das Grundübel in der EU besteht darin, dass keine Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive besteht. Das Bundesverfas¬sungsgericht spricht dem Europäischen Parlament in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 nur eine eingeschränkte demokratische Legitimation zu und sieht seine Entscheidungskompetenzen dadurch begrenzt. Letztlich entscheidet der Rat der EU. Notwendig sei ein breites Bündnis gegen diese Entwicklung in der EU, um die Ursachen zu bekämpfen.

Zu Beginn forderte Nikos Athanassiadis eine Beendigung der Hetzkampagne gegen Griechenland und die Akzeptanz für die demokratische Entscheidung, die bei der Wahl für SYRIZA durch das griechische Volk getroffen wurde. Mit der Entscheidung für SYRIZA wurde die Politik der sogenannten Troika, bestehend aus Europäischer Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission abgewählt.

Abgewählt wurde eine Politik, die von Institutionen vorgegeben wurde, die keinerlei demokratische Legitimation haben, und zu einer humanitären Katastrophe in Griechenland führte. Anstatt die neugewählte Regierung in ihrem Bemühen zu unterstützen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, das Steuerrecht zu verändern, um z.B. Steuerflucht zu verhindern und die Steuereinnahmen zu erhöhen, wurden die griechischen Politiker diffamiert.

Tatsächlich aber finden sich 90% der „Rettungsgelder“ auf den Konten der Gläubigerbanken, wie der „Deutschen Bank“, wieder. Die griechische Kaufkraft und die griechische Produktion sind auf Grund der, als „Hausaufgaben“ verharmlosten Eingriffe in die Haushalts- und Sozialpolitik in Griechenland, völlig zusammengebrochen.

Die griechische Regierung braucht unsere Unterstützung, denn diese Ausplünderung der kleinen Leute, kennen wir hier durch die „Hartz“-Gesetzgebung, den Niedriglohnsektor und prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Auf Grund des über Jahre abgebauten Lebensstandards in der Bundesrepublik ist die deutsche Wirtschaft heute in der Lage, die europäische Konkurrenz durch billige und gute Produkte in die Knie zu zwingen und einen gewaltigen Außenhandelsüberschuss aufzubauen. Der zu geringen Inlandsnachfrage steht ein riesiger Exportüberschuss gegenüber. Die Bundesrepublik steht seit längerem in der EU für diesen Exportüberschuss in der Kritik.

Die populistische Forderung der Bundeskanzlerin an diese Länder, sie sollten es genauso machen wie Deutschland und durch Verzicht, durch Senkung des Lebensstandards auch einen Exportüberschuss erzeugen, ist unmöglich. Der Überschuss des einen definiert sich exakt über das Defizit des anderen. Frau Merkel kennt diesen Zusammenhang. Die „klugen Ratschläge“ dienen nur dem Aufbau von Vorurteilen bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes.

Diether Dehm bemerkte deshalb völlig zu Recht, dass der beste Beitrag, der hier zur Lösung dieses Problems geleistet werden kann, wäre, durch kräftige Lohnerhöhungen deutsche Produkte so zu verteuern, dass andere Ökonomien eine Chance auf Produktion und Export bekommen. Zusätzlich würde eine verbesserte deutsche Inlandsnachfrage auch die Importe nach Deutschland erhöhen.

Die neugewählte griechische Regierung braucht Unterstützung und eine Atempause und keinen Druck und Zwang, um in Brüssel zu Kreuze zu kriechen. Dieses Anliegen unterstützte Kostas Papanastasiou mit seinen persönlichen Erfahrungen eines langen politischen Kampfes und der seiner Familie in Griechenland. So wie im Februar 1953 der Bundesrepublik die Schulden erheblich gemindert wurden, sollte auch Griechenland eine solche Chance erhalten. Somit gehört auch die Zwangsanleihe, die Griechenland während der deutschen Besetzung 1942 abgepresst wurde, zu den Verhandlungspunkten zwischen der Bundesrepublik und Griechenland.

Axel Troost zeigte auf, wie die „Märkte“ seit dem Jahre 2008 bestimmen wollen, wie die Finanzpolitik der Staaten auszusehen hat. Wie viel Geld also der Staat z.B. für soziale Bereiche, für Bildung und Gesundheit, für die Daseinsvorsorge aufwendet. Willfährige Regierungen in anderen verschuldeten Ländern haben diese undemokratischen Eingriffe zugelassen. Mit dem Wahlsieg SYRIZAS in Griechenland, die ihre Wahlversprechen nach der Wahl einhielten, gehörte das in Griechenland der Vergangenheit an.

Deshalb ist auch hier Solidarität nicht nur gut für das griechische Volk, sondern auch für die eigene Bevölkerung. Die Politik der „Schwarzen Null“, wie sie hierzulande praktiziert wird, bedroht die Grundlagen der staatlichen Ordnung, wonach die Bundesrepublik laut Grundgesetz ein „demokratischer und sozialer Bundesstaat“ ist. Ob die Schuldenlast Griechenlands durch einen „Schuldenschnitt“ oder durch eine Umschuldung gelöst werden kann, sollte sachlich und ohne Druck bei Abwägung aller Vor- und Nachteile mit den Betroffenen diskutiert werden.

Zum Abschluss der Diskussionsbeiträge ging Elmar Altvater auf die bestehende große Ungleichheit von Eigentum und der Vermögensverteilung ein. Eine Ungleichheit, die sich in den letzten Jahren dramatische vergrößert hat und sich mit der Lage der sog. „Dritten Welt“ in den 50er- und 60er-Jahren vergleichen lässt. In den EU-Ländern und damit auch in Griechenland werden private Schulden zu öffentlichen Schulden, die dann die Steuerzahler zu tragen haben. Gewinner sind die privaten Gläubiger. Der Zustand ist unhaltbar und bringt soziale Verwerfungen mit sich. Hier sind Bürgerinnen und Bürger gefordert, zusammen mit Parteien und Gewerkschaften diesen Zustand zu bekämpfen und zu beenden.

Gefragt wurde nach einem Schuldenschnitt für Griechenland. Derzeit überprüft das griechische Parlament, ob und wie ein Schuldenschnitt zu realisieren wäre. Als ein besonders deutliches Beispiel für die Verlogenheit in der Schuldendebatte ist die Praxis insbesondere der deutschen Rüstungsfirmen und der deutschen Wirtschaftspolitik. Dem griechischen Staat wurden Panzer und Kriegsschiffe mit entsprechenden Kreditaufnahmen aufgezwängt wegen der „türkischen Bedrohung“. Der türkischen Seite wurden dann wegen der „griechischen Bedrohung“ aus derselben Waffenschmiede Panzer und Kriegsschiffe aufgedrängt. ---------------------------------------------------------------------------------------------------

Von Nikos Athanassiadis wurde zum Abschluss die „Erklärung von Syriza“ vorgetragen, die im Wortlaut vorliegt (PDF).

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